Dort, wo der längste Fluss des Waldviertels, der Kamp, seine Wildheit längst abgelegt hat und nach seiner rund 150 Kilometer langen Reise zum sanft plätscherten Wasserlauf geworden ist, ist die urkundlich bereits im 12. Jahrhundert erwähnte Markgemeinde Hadersdorf am Kamp situiert. Der Hauptplatz des kleinen Ortes ist ein wahres Schmuckstück mit seinen sorgsam renovierten Barock-, Renaissance- und gotischen Fassaden. Mittendrin im faszinierenden Ensemble das Haus mit der Nummer 16, welches das Restaurant „Esslokal“ beherbergt. Hier haben sich Miriam Laister & Sebastian Pesau niedergelassen und schwingen beherzt die Kochlöffel.
So puritanisch wie der Name ihres Restaurants wirkt – zumindest auf den ersten Blick – ist auch das Interieur des Lokals; minimalistisch designed, große Freiflächen, spartanische Einrichtung. Doch wie so oft im Leben folgt auf den ersten der intensivere zweite Blick. Und damit einmal mehr die Erkenntnis, dass der frühe Schein oft trügt. Denn bei näherer Betrachtung entpuppen sich das Entree, die Bar und der Lunch-Raum durchaus als stilgerecht adaptiertes Landhaus-Refugium, dessen Optik durch kleine, aber feine Ausstattungsdetails geschärft wird. Worauf sich postwendend die Assoziation einstellt, dass hier alles unter Anwendung von Hirn und vor allem Herz die zugeordneten Plätze erhalten hat – und sich daher alsbald der Wohlfühlfaktor einstellt.
Kleines, aber feines kulinarisches Refugium
Passend dazu die Küche, nicht auf schnicki-schnacki-experimentell um jeden Preis, natürlich auch im monetären Sinn, getrimmt, sondern auf solider, wenn auch da und dort am Gaumen spürbar verfeinerter bodenständischer Küche basierend. Die Wirtsleute legen großen Wert auf Produkte aus der Umgebung; frisch und naturbelassen, sprich biologisch aus erster Hand. Das Gedeck ist liebevoll zubereitet, der hauchdünn auf einer aus 1926 stammenden Berkel-Schneidmaschine geschnittene Speck, die Aufstriche und vor allem das von erfahrener Bäckerhand kreierte Brot köstlich.
Die Gäste aus dem „Kulturfüchsinbau“ ließen sich Beef Tartare, Petersilienwurzelsuppe, Grammelknödel, Rehrückenfilet, Wildschweinbraten, Backhenderl mit exzellentem „Erdäpfelsalat nach Omas Rezept“ sowie diverse Desserts, u.a. Mousse-Variationen, munden. Nahezu alles geschmacklich und hinsichtlich der Konsistenz ausgezeichnet und dort wo notwendig, auf den Punkt gegart. Viel Licht also; doch wo dieses hinfällt gibt es bekanntlich auch so manchen Schatten. Im Fall der unserer Gourmetrunde der Wildschweinsbraten, der sich doch als etwas zu flachsig und zu hart entpuppt hat und dem dazu gereichten, hervorragend abgeschmeckten Rotkraut und den Waldviertler Erdäpfelknödeln nicht das Wasser reichen konnte.
Hervorstechend auch die umfassende Weinkarte. Mit Gewächsen aus nahezu aller Herren Länder sowie Weinbauregionen Österreichs, allerdings mit Schwerpunkt auf die regionalen Rebensäfte. Wobei sofort die gefühlvolle Hand des Chefs für sein offensichtliches Hobby ins Auge sticht. Es ist vieles an „Granaten“ vertreten, was das Herz der Weingenießer höher schlagen lässt. Doch auch hier manifestiert sich letztlich die Bodenständigkeit; was im Wissen um die hervorragenden Wachauer- und Kamptaler-Weine durchaus alles andere als kurzsichtig ist.
Nicht zuletzt für die Gäste erfreulich: So wie das gesamte Speisenangebot sind auch die Weinpreise sehr fair kalkuliert. Eine dicke Brieftasche ist ebenso wenig notwendig wie eine glühende Kreditkarte. Das „Esslokal“ – ein kleines, aber feines kulinarisches Refugium. Die diversen Auszeichnungen bis hin zur Gault&Millau-Haube sind durchaus verdient. Wenn die wenigen Schwächen, siehe Wildschweinbraten, ausgemerzt werden, dürfte die zweite Haube nicht weit entfernt sein.
Esslokal
Hauptplatz 16
3493 Hadersdorf am Kamp
Tel.: +43 2735/20 386
Mail: [email protected]
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